Bundesrat will Reifenabrieb an den Kragen

Mikroplastik

Bundesrat will Reifenabrieb an den Kragen

25. August 2023 agvs-upsa.ch – Der Bundesrat will die Umweltbelastung durch Mikroplastik als Folge von Reifenabrieb verringern. Dies soll über vier Handlungsfelder erreicht werden.



srh. Mikroplastik als Umweltproblem trat in den letzten Jahren verstärkt ins Bewusstsein der Öffentlichkeit. Entsprechend nutzen dies Politikerinnen und Politiker, um auf Stimmenfang zu gehen. Das Postulat «Reifenabrieb als grösste Quelle von Mikroplastik. Massnahmen zur Verminderung» wurde von SP-Nationalrätin Ursula Schneider Schüttel kurz vor den letzten Wahlen eingereicht. Die Antwort des Bundesrats kam nun just vor den bevorstehenden Wahlen – also knapp vier Jahre nach der Einreichung.

Im Rat wurde das Postulat vom Nationalrat und heutigen AGVS-Zentralpräsidenten Thomas Hurter bekämpft. Er betonte in seiner Argumentation, dass mit dem Bericht Fakten verlangt würden, die ohnehin bereits bekannt seien. Ausserdem habe die Schweiz keine eigene Reifenproduktion. Und: «Die EU ist sich der Problematik bewusst. Es gibt sehr viele internationale Studien darüber, und man ist an diesem Thema dran», so Hurter vor drei Jahren im Nationalrat. In der Abstimmung unterlagen die Bürgerlichen allerdings den rot-grünen Parteien, und so liegt nun der Bericht vor. 

Reifenabrieb ist nach heutigem Kenntnisstand in der Schweiz die grösste Quelle von Mikroplastik. Schätzungen gehen davon aus, dass hierzulande jährlich zwischen 13'500 und 21'200 Tonnen Reifenabrieb produziert werden. Allerdings divergieren hierzu die Zahlen der internationalen Studien stark, wie der Bundesrat in seinem Papier festhält.

Reifenhersteller gehen voran
Dennoch definiert der Bundesrat verschiedene Massnahmen, wie er in der Thematik Reifenabrieb aktiv werden möchte. Er will zum einen Wissenslücken schliessen. Hierfür fordert der Bundesrat die Schaffung einer zuverlässigen und international abgestützten und standardisierten Messmethode zur Quantifizierung von Reifenabrieb. Die Bundesämter ASTRA und BAFU werden sich entsprechend bei den europäischen Gremien dafür einsetzen.

Gleichzeitig fordert der Bundesrat im zweiten Handlungsfeld «Reifenabrieb an der Quelle vermeiden und reduzieren» Vorschriften für die Reifenhersteller. Gleichzeitig anerkennt er die Arbeit der Pneuproduzenten: «So haben sich die zehn grössten Reifenhersteller im Tire Industry Project – einem internationalen Forum zur Nachhaltigkeit im Reifensektor – das gemeinsame Ziel gesetzt, gewisse toxische Inhaltsstoffe und Materialien bei der Reifenherstellung mit umweltfreundlicheren Komponenten zu ersetzen.» Namentlich gehören dem Konsortium an: Bridgestone, Continental, Goodyear, Hankook, Kumho, Michelin, Pirelli, Sumitomo, Toyo und Yokohama. 

Der Bundesrat will sich auf europäischer Eben dafür einsetzen, dass der Reifenabrieb künftig Teil der Reifenetikette ist. Allerdings ist auch dem Bundesrat bewusst, dass die Euro-7-Norm der EU bereits in diese Richtung geht. Der Bundesrat anerkennt indirekt auch die von Thomas Hurter vorgebrachten Argumente bezüglich Sicherheit. Auch wenn Reifen aus nachhaltigen Rohstoffen produziert würden, dürfe «dies nicht zu Lasten der Verkehrssicherheit (Haftung), des Lärmschutzes (Rollgeräusche) und der Energieeffizienz (Rollwiderstand)» geschehen. Die Beratungskompetenz von Garagistinnen und Garagisten dürfte hier wieder vermehrt gefragt sein. 

Kantone sind gefordert
Das dritte Handlungsfeld «Rückhalt Reifenabrieb optimieren» bezieht sich auf den Gewässerschutz. Während vor allem an Nationalstrassen bereits entsprechende Strassenabwasserreinigungsanlagen in Betrieb sind, besteht bei Kantonen und Gemeinden noch Handlungsbedarf. Auch deshalb hatte Thomas Hurter in seinem Votum betont: «Die Postulantin führt in ihrer Begründung ins Feld, dass bei gewissen Gemeinde- und Kantonsstrassen das Abwassersystem nicht vorhanden sei. Da muss ich sagen: Machen Sie diesen Vorstoss in den Kantonen, die ihren Arbeiten nicht nachkommen. Sprechen Sie mit den Baudepartementen.»

Viertens will der Bundesrat mit «Information und Sensibilisierung» vorausschauendes Fahren fördern. Dadurch wird die Anzahl der Brems- und Beschleunigungsmanöver reduziert, was sich senkend auf die Reifenabriebmenge auswirkt. Dazu will er ein Monitoring Reifenabrieb in den Umweltbericht integrieren – wenn denn die geforderten verlässlichen Messungen vorhanden sind. 
Kein Thema für den Bundesrat ist die Einführung kantonaler Anreizsysteme zum Erwerb leichterer und leistungsschwächerer Fahrzeuge. Zwar würde dies einen positiven Einfluss auf den Reifenabrieb haben. Der Bundesrat begründet jedoch, dass ein solches System zum einen in der Kompetenz der Kantone liege. Anderseits «würde eine solche Begünstigung den Bestrebungen des Bundesrates zuwiderlaufen, die Elektromobilität zu fördern, da Elektrofahrzeuge heutiger Bauart in der Regel ein hohes Fahrzeuggewicht aufweisen und über einen drehmomentstarken Antrieb verfügen».
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